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Hofes, bei Karls II. von Spanien Tode die mächtigsten evangelischen Reichsfürsten in seinem Interesse zu sehen, war nach langen Vorunterhandlungen zu Anfang Novembers 1700 in Wien mit dem Kaiser zu Stande gekommen. Der neue König der wegen Preussen diesen Titel erhielt, kämpfte während des spanischen Erbfolgekriegs auf Seiten des Kaisers, erlebte aber das Ende davon nicht, und vererbte die Krone auf Friedrich Wilhelm I. Aufs Neue durch einen der Specialverträge, die dem Nordischen Kriege ein Ende machten, um Vorpommern vergrössert, war dann Preussen zwischen Verhandlungen mit den Seemächten und Oesterreich wegen der Errichtung einer Handelscompagnie zu Ostende durch den Kaiser, andererseits mit Oesterreich und der pfälzischen Linie von Sulzbach wegen eventueller Erbnachfolge in Jülich und Berg, endlich in Sachsen wegen der polnischen Succession für den Fall einer Erledigung des polnischen Thrones an der Seite Russlands und Oesterreichs beschäftigt gewesen. Im J. 1734 erschien sogar ein preussisches Heer am Oberrhein, um den Prinzen Eugen gegen Frankreich zu unterstützen. Im Jahre darauf brachte der Präliminarfriede von Wien den Krieg zu Ende. Aber zu Anstrengungen aus eigenen Motiven wurde Preussen erst wieder durch Friedrich II. aufgerufen.

Die grosse Neuerung, welche dieser mit seinem Kriege gegen Oesterreich in die deutsche Politik einführte, erinnert an die Zeiten des fünfzehnten Jahrhunderts, als König Ludwig XI. von Frankreich) und Herzog Karl der Kühne von Burgund im Kampf wider einander standen, wobei der Gegensatz beider Reiche, des deutschen im achtzehnten, und Frankreichs von damals neue Beleuchtung gewinnt. Karl der Kühne wäre siegreich gegen Ludwig geblieben, wenn er seine Kraft gespart, und nur gegen Ludwig in Bereitschaft gehalten hätte. Das Erbe, welches Friedrich II. antrat, war so namhaft, dass er, zwischen die Wahl der Selbsteinschränkung, und der Erweiterung seines Gebietes in einer für die Leistungsfähigkeit seiner Macht zuträglichen Weise gestellt, beschloss, die alten Ansprüche Brandenburgs auf die schlesischen Herzogthümer Liegnitz, Brieg und Wohlau und auf Jägerndorf, welche Oesterreich in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als der grosse Kurfürst sie geltend machte, auf die lange Bank geschoben

1) Vgl. S. 136.

oder wenigstens nur dürftig mit dem inzwischen wieder abgetretenen Schwiebuser Kreise abgefunden hatte, zu erneuern.1) 1740 Durch Besetzung Schlesiens (Mitte Dez.) verursachte er den Krieg um Schlesien. Sich bewusst im Falle siegreichen Gelingens dem politischen System von bisher dadurch ein Ende zu bereiten 2) ging er kühn daran, die letzte Folgerung aus den staatsrechtlichen Stipulationen des Osnabrücker Friedens zu ziehen! Der Versuch gelang. Sein Sieg über die Oesterreicher bei Molwitz (1741) rief noch andere Feinde gegen Oesterreich auf, die wegen der Nachfolge Maria Theresia's bestrebt waren, dem Hause Habsburg bei dieser Gelegenheit die deutsche Krone zu entziehen. Schon hatte sich der Gemahl Grossherzog Franz Stephan von Toscana um letztere beworben; aber von Frankreich geleitet, liess sich der Schwiegersohn Josef's II., Karl Albrecht von Baiern, als Candidat aufstellen. Bald darauf rückten französische Heere zur Unterstützung des Kroncandidaten, der sich am 19. Dez. in Prag als König von Böhmen huldigen liess, heran. Als jetzt auch Hannover (England) zwischen ein französisches Heer und ein preussisches eingeklemmt, nothgedrungen seine Stimme Karl von Baiern gab, da war es leicht, dass dieser zum Kaiser gewählt wurde (1742, 24. Jan.). In der Bedrängniss, weil Böhmen bereits Baiern und Sachsen zugleich gehörte, und die Preussen bereits nach Mähren vordrangen, erhielt die Kaiserin Maria Theresia die Hülfe der Ungarn. Als aber die Preussen, obgleich sie nach Schlesien zurückgedrängt wurden, Ende Mai bei Chotusitz gesiegt hatten, da entschloss sich die Kaiserin, um ihre Streitkräfte energischer gegen Baiern und Franzosen verwenden zu können, Frieden mit Friedrich II. zu machen, der durch England vermittelt in Breslau zu 1742 Stande kam (11. Juni). Nieder- und Oberschlesien und die Grafschaft Glatz mit der vollen Souveränetät, welche an Preussen abgetreten wurden, waren der Preis des kühnen Vorgehens.

Das Glück, welches nach diesem Abschluss die Waffen Oesterreichs zu begleiten anfing, und während des ganzen folgenden

1) Ranke, L., der Ursprung des 7 jä. Krieges (1871).

2).,Alles war vorhergesehen, Alles vorbereitet; also handelt sich's nur um die Ausführung der Entwürfe, welche ich lange in meinem Kopfe bewegt habe. Die Zeit ist da, wo das alte politische System eine gänzliche Aenderung leiden kann: der Stein ist losgerissen, der auf Nebukadnezars Bild von viererlei Metallen rollt, und es zermalmen wird." Aus einem Briefe des Königs vom 28. Oct. 1740 bei Preuss, Lebensgesch. d. gross. K. Friedrich v. Pr. Theil I. (1834) S. 62. Vgl. 'Histoire de mon temps in: Oeuvres historique de Frédéric le Grand.

Jahres begleitete, machte Friedrich besorgt während der späteren Haltung Maria Theresia's. Er musste dem Kaiser Karl irgendwie Vorschub leisten, wenn er nicht seine eigene Stellung gefährden wollte, und verfiel auf den Gedanken, die deutschen Fürsten zu einem Bunde zu vereinigen. Es wollte aber hiemit nicht gehen. So schloss er zum Schutze Karl's VII. ein Bündniss mit Frankreich (Juni 1744), und brach selbst mit einem gewaltigen Heere nach Böhmen auf, musste aber, obgleich er schon Prag belagerte 1744 (Sept.), zurück, weil sich Sachsen an Oesterreich anschloss, und ein österreichisches Heer im Anzug war. Sein feindseliges Auftreten vereinigte Oesterreich mit England, den Niederlanden und Sachsen zu einem Bündnisse gegen ihn (Vertrag von Warschau, 8. Jan.). Der zweite Krieg um Schlesien begann; die Oesterreicher drangen in Oberschlesien vor. Zwar schlug er die Gefahr von dorther durch seinen Sieg bei Hohenfriedberg (Juni) ab. Aber aus Böhmen, wohin er abermals vorgedrungen war, wurde er trotz seines Sieges bei Sorr (Sept.) hinausmanövrirt; er wurde sogar genöthigt, sich auf die Marken zurückzuziehen. Im October begann er wieder die Offensive. Am 28. Oct. schloss er mit Georg II. von England, dessen Mitwirkung zu Gunsten Oesterreichs im eigenen Lande durch das Auftreten des Prätendenten Karl Eduard Stuart lahm gelegt war, eine Convention ab, in welcher sich Georg verpflichtete, gegen Friedrichs Anerkennung der Wahl des Gemahls der Maria Theresia zum Kaiser, einen Frieden auf der Grundlage der Garantirung Schlesiens zwischen ihm und Maria Theresia zu vermitteln. 1) Wenn dieser Schritt zum Frieden führen sollte, musste Friedrich jedenfalls die Oesterreicher zuvor noch seine Macht fühlen lassen. Die Offensive, die er ergriff, diente also dem Frieden. Er siegte bei Grosshennersdorf, wodurch Sachsen (Ende Nov.) in seine Gewalt fiel, und der alte Dessauer bei Kesselsdorf (Mitte Dez.). Jetzt beschloss Maria Theresia, um Kurbrandenburg's Stimme für ihren Gemahl, der schon in Frankfurt zum Kaiser gewählt war, zu erlangen, Friede zu machen (Friede von Dresden, 25. Dez.)

Der Krieg zwischen Oesterreich und Frankreich dauerten in den (österreichischen) Niederlanden fort; der Dresdener Friede hatte den Oesterreichern die Hand frei gemacht, aber ein im Jahre darauf nach Belgien abgeschicktes Heer konnte dieses den Franzosen

1) Karl VII. war am 20. Jan. gestorben.

1745

nicht mehr entreissen, die zu Anfang des Jahres 1747 ohne vorherige Ankündigung die Grenze der Niederlande überschritten. Eine Erhebung der Bevölkerung in Seeland nöthigte die Regierenden ihrer Abneigung gegen einen Statthalter zu entsagen, und den Prinzen von Oranien mit der Regierung zu betrauen. Durch die Agitation der statthalterischen Partei ward der Prinz auch Statthalter von Holland, Utrecht, Overyssel. Zum ersten Mal wieder seit der Losreissung von Spanien standen alle vereinigten Provinzen unter der nämlichen Oberleitung. Ein halbes Jahr später wurde ihm die Erblichkeit votirt. Die mittlerweile begonnenen Unterhandlungen auf einem Congress zu Aachen zu Gunsten eines Friedens drohten Ende Januar 1748, statt zum Abschluss desselben, vielmehr zur Erneuerung des Krieges gegen Frankreich in grösseren Massstabe zu dienen. Allein die Bevollmächtigten hatten ohne die allgemeine Stimmung gegen die Fortsetzung desselben geplant. Im April kamen 1748 die Präliminarien zu Stande, und im October der definitive Friede, der zwar an den Stipulationen des Dresdener Friedens nichts änderte, der aber, indem er die durch die pragmatische Sanction geforderte Nachfolge Maria Theresias im Besitze aller Erbstaaten ihres Vaters anerkannte, weder den Schmerz des österreichischen Hauses über den Verlust Schlesiens heilte, noch zwischen England und Frankreich die Frage wegen der Grenzen ihrer Besitzungen in Nordamerika regelte. 1)

Den Antheil, den Russland an den Verhandlungen des Friedens nahm, war ein Schritt weiter in der Annäherung an die europäischen Mächte.

Friedrich II. blieb also für die Stellung Preussens in Europa, wenn ein neuer Krieg hereinbrechen sollte, das Meisterstück zu leisten übrig. Noch konnte Preussen kaum als europäische Macht gelten, das Gewitter, dass sich nach 1750 über ihm zusammen

1) Die Unbestimmheit, welche ein im Frieden von Utrecht abgefasster Artikel über die Grenzen des an England abgetretenen Acadiens, sowie über die französisch gebliebenen Colonien Louisiana und Canada an sich trug, benutzend, hatte mittlerweile die französische Regierung in einem Bogen um die englischen Colonien herum, auf der Linie, welche die Seen, der Ohio und der Mississippi bilden, durch Forts ihre nördlichen und südlichen Besitzungen in Verbindung zu setzen angefangen. Die Engländer bestritten aber das Besitzrecht der Franzosen auf die Territorien, welche zwischen Canada und Louisiana lagen, und behaupteten, dass die alten Grenzen Acadiens, in welchen diese Landschaft ihnen abgetreten wäre, sich bis an St. Lorenzo ausdehnten. Gegen diese Deutung erhoben die Franzosen Einsprache. Zuerst Streit zwischen den Colonisten beider Nationen, darauf (1755) zwischen den Fahrzeugen, endlich Vertrag mit Gotha, Kurhessen und Schaumburg zur Deckung Hannovers (Jan. 1756), endlich Kriegserklärung seitens Englands.

zog, drohte nicht allein das Wenige, was in diesem Sinne angenommen werden sollte, sondern seine ganze Existenz, wie sie sich seit einem Jahrhundert entfaltet hatte, zu zerstören. Dem österreichischen Gesandten in Paris, Grafen Kaunitz, war es, Dank dem von der Marquise de Pompadour geleiteten Kreise und seinem Einflusse auf Ludwig XV., gelungen, den bourbonischen Hof von seiner antihabsburgischen Politik abtrünnig zu machen. Ein eigenhändiges Schreiben der Kaiserin that das Seinige (1752); Frankreich trat dadurch in freundschaftliche Beziehungen zum österreichischen Cabinet, dessen Leiter alsbald Kaunitz wurde (1753). Andererseits wurde, Dank dem Einflusse des Oesterreich geneigten Bestuscheffs auf die Entschlüsse seiner Souveränin, der Kaiserin Elisabeth, nachdem schon seit einigen Jahren ein preussenfeindliches Bündniss zwischen dem russischen Cabinet und dem österreichischen bestanden hatte, noch im nämlichen Jahre (1753) in Moskau der Beschluss gefasst, die Macht Preussens nicht nur nicht grösser werden zu lassen, sondern sie wo möglich auch wieder zu beschränken.

Von der Lage, in welche Friedrich II. dadurch gerieth, insgeheim theils aus der Kanzlei in Dresden theils aus Wien sogar hinter dem Rücken der Kaiserin durch den Grossfürsten Peter unterrichtet, beschloss er die Offensive zu ergreifen. Nachdem seine wiederholten Anfragen um Erklärung über die kriegerischen Vorbereitungen, die in Böhmen getroffen würden, zuletzt stolz abgewiesen waren, rückte Ende August die preussische Armee über Leipzig Torgau und durch die Lausitz zugleich in Sachsen ein. 10. September langte Friedrich persönlich in Dresden an. Der Kaiser klagte über Bruch des Reichsfriedens; aber der König antwortete mit Aufschlüssen über den Kriegsplan des österreichischen Cabinets aus den Aktenstücken der sächsischen Archive.

Am

Der Krieg mit Oesterreich war eröffnet, 1) und dadurch mit den beiden erwähnten Mächten, denen noch Schweden, gelockt durch die Aussicht auf Wiedererwerbung des preussischen Vorpommerns, beitrat. Durch den Ehrgeiz, womit sich das französische Cabinet (Choiseul) als Bürgen des westfälischen Friedens bespiegelte,

1) Von Friedrich selbst geschildert in seinen Oeuvres pothumes ('Histoire de la guerre de sept ans'). vgl. Archenholz, Geschichte des 7jährigen Krieges in Deutschland (1804); Stuhr, P, F., Der 7 jährige Krieg in seinen geschichtlichen, politischen und allgemein militärischen Beziehungen (1834); Stuhr, Forschungen und Erläuterungen uber Hauptpunkte der Geschichte des 7jähr, Krieges (1842); Schäfer. Gesch. d. 7jähr. Kriegs (1867).

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