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Erster Unterabschnitt.

I.

Beschränkung des absoluten Königthums durch die
Constitution.

Auf den 5. Mai | war die Eröffnung der Reichsstände, die 1789 bereits am 2. vom König in feierlicher Audienz empfangen wurden, freilich mit der peinlichen Unterscheidung, dass die bürgerlichen Abgeordneten zu einer Seitenthüre hineingelassen worden, anbe raumt. Diese Versailler Feierlichkeit war der letzte selbstständige Akt einer Regierung, die am Ende ihrer Versäumnisse stand. Prüfung der Mandate, welche, weil der dritte Stand darauf bestand, gemeinsam vorgenommen wurde, ein Geschäft, welches wegen der Schwierigkeiten, welche der Adel dem Begehren des dritten Standes bereitete, erst fünf Wochen später beendet wurde, die Constituirung der Reichsstände als Vertretung der Nation zu einer einzigen Versammlung (Assemblée nationale) unter der Beihülfe der Geistlichkeit, trotz einer durch den Adel zu Wege gebrachten „königlichen Sitzung (séance royale)", der Beschluss, die Person des Abgeordneten sei unverletzlich, welcher durch letztere hervorgerufen war, der Uebertritt des Adels waren die Ereignisse innerhalb der Versammlung gewesen. Die Missstimmung in der Umgebung des Königs sann auf neue Mittel, zuerst seit Anfangs Juli durch Tausch und Vermehrung der bisherigen Versailler Garnison, durch Entlassung Neckers, ein paar Tage nachher, um ihre den Vorrechten der Krone vorgreifenden Beschlüsse illusorisch zu machen, bis Tumulte in Paris vorfielen, und der Uebergang von Gardetruppen zum Pöbel die Einnahme der Bastille ermöglichte, Stillstand in das Planen brachte. Vergebens dass Necker zurückgerufen wurde.

Die Beschlüsse, welche die Versammlung, der erst nach der Rückkehr der Ruhe in Paris die Musse zu Berathnngen geworden, fasste, voran die, welche die Aufhebung der Leibeigenschaft, der Patrimonialjustiz, des Jagdrechts, der Ablösung der Zehnten, und der Herrenrechte, Aufhebung aller Privilegien, Gleichheit der Be steuerung, Zugänglichkeit aller Aemter, Aufhebung der Käuflichkeit derselben, der Vorrechte der Provinzen und der Städte, u. s. w.

kurz die Beseitigung des Feudalwesens, wodurch bisher Frankreich regiert worden war, zum Gegenstand hatten, konnten nur mühsam die Genehmigung des Königs erlangen (21. Sept.). Der Anstoss, den ein Bankett, welches die Leibgarde den Cameraden eines neuen nach Versailles gezogenen Regiments zu Anfang Octobers gab, dadurch erregte, dass die Damen, voran die Königin, die Schwachheit hatten, daraus eine Demonstration für das Königthum zu machen, in welche der ahnungslos von der Jagd heimgekehrte König hineingezogen wurde, gab dem Pariser Pöbel Anlass, die Uebersiedelung des Hofes und der Versammlung von Versailles nach Paris ins Werk zu setzen.

Der Einfluss, den seitdem Mirabeau auf die Durchführung von Massregeln erhielt, um der Leidenschaften des Tages Herr zu bleiben, in Verbindung mit Lafayette, begann die Aufmerksamkeit auf die Thätigkeit dieses Repräsentanten für das Zustandekommen der Verfassung zu richten, welche die bürgerlichen und die kirchlichen Verhältnisse in ihren Bereich ziehen sollte. Bestimmungen über das Bürgerrecht, und das dadurch regulirte Wahlrecht, über Gerichtswesen, über die äussere Gestalt der Karte Frankreichs, über die Verfassung der Städte, über die Vorrechte der Krone, über die Pflichten der Geistlichkeit als bürgerliche Einrichtung u. a. waren schon festgesetzt, als dieser Mann, durch seine Rede für das Recht der Krone, Krieg zu erklären und Frieden zu schliessen, die vornehmste Stütze des Königthums, starb. Während dieser Zeit (Oct. 1789 Apr. 1791) hatte eine demokratische Partei sich immer schärfer ausgebildet; sie besetzte die Clubs, inspirirte die Presse, bekam die Leitung der Massen in die Hand. An der Spitze stand der Jacobinerclub, der bestimmt schien, den Boden, soviel die Monarchie davon im Volke noch bis zuletzt gehabt hatte, vollständig zu unterwühlen. Eine besondere Stärkung erhielt die von ihm berathene Richtung der Demokratie noch durch die Einholung des Königs und seiner Familie, welche auf der Flucht nach den österreichischen Niederlanden gewesen waren (Juni 1791), ein Schritt, dessen Gelingen die Revolution im Zaume gehalten haben würde. Doch auch nach der Zurückbringung derselben deckte der gemässigtere Theil der Demokraten die Person des Königs gegen Angriffe seitens der Clubs und der Journale; seine Unverletzlichkeit war noch zum Gesetz erhoben worden, ehe die Versammlung die Revision der Verfassung begonnen hatte. Am 1791 14. Sept. erfolgte die Annahme der Constitution durch den König.

Das Problem, welches der Versammlung von dem Zeitgeist gestellt worden, war theoretisch gelöst. Ob diese Lösung praktischen Werth batte, kam darauf an, dass der Versuch, mit ihr zu regieren, gelänge.

II.

Die Stellung der auswärtigen Cabinette.

Man hätte die Franzosen auf diesem Wege der inneren Umformung nicht stören sollen. Aber die auswärtigen Cabinette, nicht zufrieden damit, daheim von den eigenen Bevölkerungen mit ähnlichen Forderungen im Namen des Zeitgeistes verschont zu bleiben, sogar durch das Beispiel Josef's II. über die Unzeitgemässheit reformatorischen Vorgehens gewarnt, sahen in der neuen Bewegung nichts als verbrecherische Rebellion gegen die Krone, nicht den Ausbruch der Verzweiflung über den durch Gewissenlosigkeit voraufgegangener Regierungen verursachten, und bei allem guten Willen durch Wankelmuth und Untähigkeit des Königs sich täglich steigernden Ruin. Daher die Bereitwilligkeit Preussens, das durch seinen Minister Hertzberg bereits ein Bündniss mit der Türkei zu Stande gebracht, und an dem Zustandekommen einer Allianz mit Polen, Schweden, Dänemark und Eng land gegen Oesterreich und Russland arbeitete, den Anträgen Leopold's II. Gehör zu geben, unter Ausschliessung dieses Planes, und in Reichenbach die Aussicht auf die Rolle eines Schiedsrichters sich offen zu halten (Juli 1790). Katharina, die ein Interesse daran hatte, Oesterreich und Preussen gegen den Westen beschäftigt zu wissen, um die Ausführung ihrer auf die Türkei bezüglichen Pläne sich nicht durchkreuzen zu lassen, eignete sich die Idee einer Verbindung der Monarchen gegen die Revolution an. In Pillnitz, wo sich (nicht zur Freude der Monarchen) auch Graf von Artois einfand, liess sich Leopold II., der dem Projekt am kühlsten gegenüber gestanden, zu weit ein, indem er, gleich Friedrich Wilhelm II. versprach, einstweilen Massregeln zur Mobilmachung zu treffen (Aug. 1791). Als aber im September in Frankreich die Epoche der constitutionellen Regierung begann, fand er keinen Anlass mehr, wesshalb eine Intervention ins Werk gesetzt werden sollte. Da wurde im April des folgenden Jahres seitens Russlands, das die Absichten auf die Türkei sistirt hatte, die pol

nische Frage angeregt. Polen, das sich Anfangs Mai's eine freie Verfassung gegeben hatte, fand keinen Kroncandidaten, der damit regieren wollte; denn der sächsische Kurfürst hatte abgelehnt (October). Katharina drang in Preussen, sich für ein gemeinsames Vorgehen in Polen zu entscheiden, um die alte Verfassung wiederherzustellen, und kirrte, als Preussen wissen wollte, wie sie sich zum französischen Kriege stellen werde, dieses und Oesterreich, wo der vorsichtige Leopold gestorben war (März 1792), und jetzt Franz II. regierte, mit (unwahrscheinlichen) Versprechungen.

Unter solchen Umständen blieb die Ludwig XVI. in Aussicht gestellte Hülfe im Stadium der Verabredungen; aber der Wiederhall, den die Kunde davon in Paris hervorrief, war gerade verhängnissvoll genug, um um Ludwig's Lage noch schwieriger zu machen.

Zweiter Unterabschnitt.

Sturz der Monarchie und Terrorisirung Frankreichs.

I.

Gemäss der im September 1791 angenommenen Verfassung sollte die verfassungsgemäss gewählte Versammlung die Constituante ablösen, um Civil- und Criminalgesetzgebung mit der neuen politischen Ordnung in Einklang zu bringen. Ein verhängnissvoller Beschluss der Constituante hatte alle Constituanten von der neuen Versammlung (Legislative) ausgeschlossen. Dadurch wurde eine Versammlung nach Paris geführt, die, weil die Verfassung nicht ihr Werk war, keine Anhänglichkeit dazu mitbrachte, und bald zeigte, dass sie sich fähig wisse, ein Werk von dieser Art auch 1791 von sich aus aufzustellen. Von den Parteien, die es ausserhalb der neuen Versammlung gab, Feuillants (Monarchisten) und Jacobiner (Republicaner), in die sich bald auch die neue Versammlung spaltete, erhoben die Letzteren, unter dem Einflusse der fanatischen Clubs, und im Bunde mit der von den Clubs gehetzten Presse, immer drohender ihr Haupt. Durch die Demonstration der Emigranten von Coblenz her nach Krieg durstig geworden, nöthigten

sie den König, den abgesehen von dem Decret der Versammlung gegen die Emigration, die Massregeln gegen die eidweigernden Priester die Augen darüber öffneten, dass auch die constitutionelle Beschränkung der Monarchie kein Heil gebracht hätte, sein constitutionelles Ministerium (de Lessart) zu entlassen, und ein Ministerium aus girondistischen Jacobinern (Dümouriez) anzunehmen. Der König musste den Krieg vor dem er eine Scheu gehabt, durch dieses Ministerium gedrängt, schliesslich erklären (20. April 1792). Während die Truppen an der belgischen Grenze waren, ohne Erfolg sich herumschlugen, vollzog sich das Verhängniss des Königthums zufolge einem in den inneren Verhältnissen forttreibenden Impuls. Zunächst musste die königliche Garde der Nationalgarde die Posten überlassen (Ende Mai), dann wurde ein stehendes Heer nach jacobinischer Bestimmung bei Paris zusammengezogen (Juni), und endlich, da der König dagegen sein Veto eingelegt hatte, aus Rache ein Besuch bei diesem organisirt, der, weil der Maire von Paris (Pétion) keine Gegenanstalten traf, die Tuilerien zum Schausplatz der tobendsten Auftritte machte (20. Juni). Wie viel Entrüstung auch die Adressen, die in den nächsten Tagen aus Frankreich darüber bei der Versammlung einliefen, ausdrückten, das Ende, wozu dieser Besuch der Vorstädte das Vorspiel gewesen war, konnte nicht ausbleiben.

Schon das Erinnerungsfest an den Bastillesturm brachte den König, der zugegen war, nachtheilige Kundgebungen. Als aber das Manifest des Herzogs von Braunschweig (25. Juli) kund wurde, da kannte die dem König feindliche Agitation, die unter dem Eindrucke des Zusammenströmens der Föderirten aus Frankreich nach Paris, die das Lager bilden sollten, mit jedem Tage Fortschritte gemacht hatte, keine Scheu mehr. Es drängte auf einen Staatsstreich hin. Während die Girondisten noch überlegten, in welcher Form derselbe das Königthum beseitigen und wie die Regierung bestellt sein sollte, wenn der König abgesetzt wäre, verlangte Robespierre in einer Clubsitzung der Jacobiner (29. Juli) einen Nationalconvent, der Königthum und Legislative ersetze. Nach der Verfassung von 1791 hatte die Legislative alle zwei Jahre erneuert werden sollen, und schon diese erste erreichte nicht mal die Grenze ihres ersten Jahres. Schon am 3. Aug. verlangten die Sectionen von Paris durch eine Adresse an die Versammlung die Absetzung des Königs und die Berufung eines Convents (convention nationale), das Vorspiel des Aufstandes, der am 10. Aug. nach tapferer Gegenwehr der Schweizer, die Tuilerien erstürmte,

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