Page images
PDF
EPUB

ein nach einem blokirten Hafen bestimmtes Schiff soll in der Regel wegen eines ersten Versuchs des Einlaufens nicht aufgebracht werden ').

Strandrecht. Kaperei.

Nach dem Allgemeinen Landrechte verzichtet der Staat auf die Aus- 25 übung des barbarischen Strandrechtes zum Besten der durch die See Verunglückten 2): die Bergung der gestrandeten Sachen ist den Obrigkeiten zur Pflicht gemacht, gegen Erstattung der Kosten und ein bestimmtes Bergelohn werden sie den Eigenthümern zurückgewährt. Nur als Retorsion blieb es zulässig. Theils die fortschreitende Civilisation, theils ausdrückliche Verträge haben das Strandrecht nicht nur außer Uebung gebracht, sondern es ist den Gestrandeten wie den Nothhafnern Schuß und Unterstüßung verheißen, namentlich auch dadurch, daß bei solcher Gelegenheit nur von den Waaren der Zoll erhoben wird, die zum wirklichen Verbrauche in das Land eingehen).

Dem Strandrechte an Rohheit verwandt ist das Kapereiwesen, der privilegirte Seeraub in Kriegszeiten. Beschränkungen in Ertheilung der Kaperbriefe sind mit Amerika, Dänemark verabredet1). Die Seeräuber in seinen Gewässern zu unterdrücken, hat Griechenland ausdrücklich versprochen).

Nationalität der Schiffe.

Nach dem Vorgange der englischen Gesetzgebung ist früherhin die Be- 26 jahung der wichtigen Frage über die Nationalität der Schiffe von dem Zusammentreffen einer Reihe von Bedingungen abhängig gemacht und dies in den einzelnen Verträgen ausdrücklich ausgesprochen worden®). In neuerer Zeist ist man hiervon abgegangen und hat es lediglich der innern Geseßgebung überlassen, die Erfordernisse zu bestimmen, welche die Nationalität eines Schiffes bedingen). In dieser Beziehung ist es nach der gegenwär tigen Lage der Gesezgebung genügend, aber auch durchaus nothwendig, daß

1) 3. B. Sicilien Art. 16., Sardinien Art. 13., Merico Art. 13.

2) A. L. R. II., 15. §. 81. Dort ist nur als allgemeiner Grundsaß ausgesprochen, was schon seit Jahrhunderten an den pommerschen und preußischen Küsten geseßliche Praris war. Jouffroy, Droit des gens maritime, S. 55.

Sardinien Art. 8. 10.

3) Türkei 1761 Art. 1. Sicilien Art. 10. 11. 4) Nordamerika 1799 Art. 15. Dänemark Art. 22-23. des Vertrags mit Amerika von 1785, enthält für den Fall des Krieges zwischen den beiden Contrahenten auch die Bestimmung: Et les deux puissances contractantes s'engagent à n'accorder aucune commission à des vaisseaux armés en course qui les autorisat à prendre ou à détruire ces sortes de vaisseaux marchands ou à interrompre le commerce. Dazu die Note in Herzberg Recueil I., 482. und Pütter, Beiträge zur Völkerrechts-Geschichte und Wissenschaft S. 220., aber auch Jouffroy a. a. D. S. 69.

5) Art. 13. des Vertrags von 1839.

6) Der Art. 17. des Vertrags mit Dänemark v. J. 1818 fordert, daß der Capitain und die Hälfte der Mannschaft Inländer seien; aufgehoben durch Art. 9. der Convention von 1846.

7) Verträge mit Portugal Art. 4., Sardinien Art. 14., Sicilien Art. 17., Belgien Art. 15., Griechenland Art. 7., Mexico Art. 5., Niederlande und Schweden Art. 6.

27

das Schiff, welches die preußische Nationalität beansprucht, sich ausschließlich im Eigenthume preußischer Unterthanen befindet. Als Legitimationspapiere soll es bei fich führen: 1) den Beylbrief certificat de construction document de mesurage 2) den Meßbrief 3) die Musterrolle rôle d'équipage 1).

[ocr errors]
[ocr errors]

Consular wesen 2).

Die Anstellung von Consuln ist zwar jezt allgemein, ihre Zulassung beruht indessen auf einer ausdrücklichen Einwilligung des Staates, wo sie ihren Aufenthalt nehmen, ganz abgesehen von dem besondern Falle, wo Staatsangehörige desselben Staates, wo sie domiciliren, zu Consuln eines andern Staates bestellt werden. Die Friedens- und Freundschaftsbündnisse, so wie die Handels- und Schiffahrtsverträge pflegen die Bestimmungen hierüber zu enthalten). Den Consuln in entferntern Staaten wird dadurch vertragsmäßig eine beschränkte Gerichtsbarkeit über Angehörige des Staates, den sie vertreten, zugestanden. So in der Regel die Befugniß, entlaufene Matrosen festnehmen und binnen einer bestimmten Frist) in die Heimath senden zu lassen, sofern es nicht Angehörige des Staates sind, wo der Consul residirt; ferner als Schiedsrichter bei Streitigkeiten zwischen Nationalen zu fungiren, berufener Beistand bei Rechtshändeln dieser vor dem fremden Gerichte zu sein, bei Todesfällen von Staatsangehörigen unter Ausschluß der Ortsbehörde das Inventarium aufzunehmen und die Nachlaßregulirung zu besorgen.5)

1) Circular vom 16. April 1845, zunächst veranlaßt durch den Vertrag wegen Unterdrückung des Sclavenhandels. Consularb. S. 12.

2) Handbuch für Preußische Consularbeamte, Rheder, Schiffer und Befrachter. Nach amtlichen Quellen. Berlin 1847. Die erste Abtheilung handelt vom preußischen Consularwesen, die fünfte (S. 706.) über das Verhältniß der fremden Consularbeamten in Preußen. Manuel pratique du consulat. Ouvrage consacré spécialement aux consuls de Prusse et des autres états formant le Zollverein par J. A. de Mensch. Leipzig 1846. Der Abschnitt von den preußischen Consuln (S. 93–169.) foll nicht ganz de Mensch'schen Ursprungs, sondern in Berlin entstanden sein. Durch seine Wohlfeilheit zeichnet sich das Buch aus.

3) Das Erequatur bleibt dabei für jeden einzelnen Fall erforderlich. Ueber dessen Entziehung Frankreich gegenüber, Kabinetsordre vom 9. Novbr. 1834: Die königliche französische Regierung hat in neuerer Zeit den Grundsaß aufgestellt, daß das Erequatur einem Consul einseitig von der Regierung, bei welcher er angestellt ist, entzogen werden kann, ohne vorher mit der Regierung, die ihn ernannt hat, Rücksprache zu nehmen und diesen Grundsaß auf den preußischen Consul Bardewisch zu Bayonne angewendet. Da in allen Verhältnissen dieser Art die Reciprocität zwischen zweien Regierungen die einzige Norm abgeben kann, so finde Ich Mich veranlaßt, denselben Grundsay in Hinsicht der französischen Consuln anzunehmen und festzustellen. Sollte also ihr Benehmen von Seiten der ProvinzialBehörden zu Klagen Anlaß geben, so wird Mir der Minister der auswärtigen Angelegenheiten unverzüglich darüber berichten und auf Meinen Befehl dem beschuldigten Consul das Erequatur entziehen. In Ansehung der in Meinen Staaten angestellten Consuln aller andern Mächte bleibt es bei dem durch das Herkommen festgestellten Verhältniß. Cussy IV., 398. v. Kampz Annalen 34. 934.

4) Zwei Monate Griechenland, Portugal; drei Monate Sicilien, Sardinien, Belgien, Merico, Nordamerika. Nach Ablauf dieser Frist werden die Verhafteten freigelassen. 5) Art. 16. Griechenland, Art. 13. Merico. Am Weitesten gehen die Befugnisse der Consuln in der Türkei, Art. 4. 5. des Vertrags von 1761.

Der Gesandten rang.

Es ist bekannt, welche Rangstreitigkeiten früherhin zwischen Fürsten und 28 ihren Gesandten Statt gefunden haben und welche Wichtigkeit man denselben beigelegt hat '). Auch auf dem Wiener Congresse wurde eine Commission zur Erörterung der über den Rang gekrönter Häupter anzunehmenden Grundsäße niedergesezt, welche indessen später ihre Thätigkeit auf Feststellung des Ranges der diplomatischen Agenten derselben beschränkte. Das Resultat war das von den Abgeordneten der acht Mächte unterzeichnete Rangreglement vom 19. März 1815). Dasselbe nimmt drei Klassen diplomatischer Agenten an: 1) Ambassadeure, Legaten, Nuncien; 2) außerordentliche Gesandte, beglaubigt bei dem Souverain, 3) Beauftragte, die nur bei dem Minister der auswärtigen Mächte beglaubigt sind. Die Agenten derselben Klasse rangiren unter einander nach der amtlichen Anzeige ihrer Ankunft; bei der Unterzeichnung von Urkunden seitens mehrerer Mächte wird die Reihenfolge zwischen Gesandten solcher Mächte, welche sich gegenseitig das Alternat gestatten, durch das Loos bestimmt. Dieses Reglement, welches durch das Aachener Protocoll vom 21. Novbr. 1818 in Betreff der MinisterResidenten) vervollständigt worden ist, bildet die Grundlage der jeßigen völkerrechtlichen Praris.

Die Jonischen Inseln. Die Schweiz.

Die Jonischen Inseln befanden sich seit dem dreizehnten Jahrhundert 29 in dem Besize Venedigs, nach dessen Untergange sie Frankreich (1797) einnahm. Eine russisch-türkische Flotte eroberte sie, und durch den Vertrag vom 21. März 1800 (M. VII., 41.) wurden sie zu einer Föderativrepublik unter türkischer Oberhoheit und dem Schuße Rußlands gestaltet. Lezteres überließ sie im Tilsiter Frieden (M. VIII., 637.) an Frankreich, das sie 1814 wieder verlor. Durch den zwischen den Alliirten am 5. October 1815 zu Paris geschlossenen Vertrag, dem die Türkei unterm 24. April 1819 (N. R. V., 387.) beigetreten ist, wurden die sieben Inseln zu einem freien unabhängigen Staate mit dem Namen „Vereinigte Staaten der Jonischen Inseln" unter dem unmittelbaren und ausschließlichen Schuße Großbritanniens vereinigt3).

1) Martens Erzählungen merkwürdiger Fälle des neuern europäischen Völkerrechts. 2 Bde. Göttingen 1804. 4. enthalten derartige Fälle.

2) Frühere Beispiele solcher Festschungen: Receß zwischen den Kurfürsten wegen des Ranges ihrer Gesandten von 1671. Lünig deutsches Reichsarchiv P. spec. 1. Abth. S. 335. Receß mit Schweden wegen Titulatur und Reception der Ministrorum d. d. Cöln a. Spree 7. Jan. 1684. Lünig a. a. O. Cont. II. Fort. 1. S. 247.

3) Auch Beilage 17. der Wiener Congreßacte. Ausführlichere Mittheilungen bei Klüber, Acten VI.

4) Sie sind als Zwischenklasse zwischen die zweite und dritte eingeschoben. Heffter Vr. §. 208.

5) Auch die italienischen Staaten erfuhren durch den Wiener Congreß ihre Regelung: die Artikel 85–104. der Congreßacte enthalten die näheren Festseßungen. Art. 105-107, betreffen Portugal.

30

31

Unterm 20. März 1815 erließen die acht Unterzeichner des Pariser ersten Friedens eine Erklärung über die Angelegenheiten der Schweiz, worin derselben nach Annahme gewisser Bedingungen ewige Neutralität verheißen. wurde. Die Annahme erfolgte durch die Acte vom 27. Mai 18152), worauf seitens der fünf Großmächte die ewige Neutralität der Schweiz anerkannt und die Unverlegbarkeit ihres Gebietes garantirt wurde3).

Holland. Krakau.

Die Ereignisse der Jahre 1815 hatten zwei neue Staaten aus entgegengeseßten Elementen geschaffen: durch Preußen, Oesterreich und Rußland wurde die alte Königsstadt Krakau zu einem Freistaate erklärt1), und durch die Unterzeichner der Schlußacte des Wiener Congresses wurde das souveraine Königreich der Niederlande aus den ehemaligen republikanischen und den früher österreichischen Niederlanden gebildet). Beide Schöpfungen haben. sich nicht erhalten. Der Freistaat Krakau ist untergegangen durch den Ausspruch seiner Stifter: der Vertrag d. d. Wien, den 6. Novbr. 1846 hat denselben den österreichischen Staaten, wozu das Gebiet vor 1809 gehörte, wiederum einverleibt®). Die Julirevolution in Frankreich beschleunigte den Bruch der niederländischen Union: die Londoner Verträge der fünf Großmächte mit den Niederlanden und Belgien vom 19. April 18397), welchen der Vertrag der Großmächte vom 15. November 1831 (N. R. XI., 350.) voraufgegangen war, führten zur völkerrechtlichen Anerkennung des neuen Königreichs Belgien als eines unabhängigen und beständig neutralen Staates®).

Die Passage der Dardanellen.

Ein herrliches Land Europa's, die Wiege europäischer Cultur, steht unter der Botmäßigkeit eines nichtchriftlichen, orientalischen Völkerstammes; die Türken sind Herren eines großen Theiles von Griechenlands classischem Boden. Einst gefürchtet von dem Abendlande, ist ihr Aufenthalt in Europa vielleicht durch das strenge Princip der Legitimität wie durch eine gewisse Eifersucht der Großmächte, oder wissenschaftlicher ausgedrückt, durch die Theorie vom politischen Gleichgewichte geschüßt. Hieraus entsteht eine fürsorgliche Betheiligung der Großmächte an den Angelegenheiten der hohen Pforte;

1) Von Wien aus datirt. Klüber, Acten V., 310.

2) Klüber, Acten V., 323.

3) Erklärung d. d. Paris, den 20. Novbr. 1815. Klüber, Acten V., 483. Wiener Congreßacte Art. 84.

4) Vertrag vom 3. Mai|21. April 1815, Beilage 3. der Wiener Congreßacte.

5) Die Grundlage bildet der Vertrag vom 31. Mai 1815. Wiener Congreßacte Art. 65-73.

6) Auf Krakau bezügliche Piecen bei Cussy V., 727–752.

7) Zu dem Abschlusse dieses Vertrages waren der preußische und österreichische Gefandte zugleich seitens des deutschen Bundes ermächtigt, der wegen Luremburg concurrirte; der Verlust am leßtern wurde durch Limburg dem deutschen Bundesgebiete erseßt.

8) Artikel VII. des Vertrags; enthält er nicht in sich einen Widerspruch?

ein Zeugniß davon giebt die Uebereinkunft derselben mit dem Sultan d. d. London, den 13. Juli 1841, wonach kein nichttürkisches Kriegsschiff die Meerengen der Dardanellen und des Bosporus fernerhin passiren soll, mit Ausnahme leichter unter Kriegsflagge segelnder Schiffe, welche zum Dienste der Gesandtschaften befreundeter Mächte bestimmt sind; doch bedürfen auch diese der besondern großherrlichen Genehmigung').

Die Abschaffung des Negerhandels.

England gebührt das Verdienst, daß es zuerst und in der umfassendsten 32 Weise die Abschaffung des Negerhandels betrieben hat 2). Bereits vor dem Jahre 1814 hat es sich dieselbe von einzelnen Staaten versprechen lassen; auf dem Congresse zu Wien brachte es die Angelegenheit gleichfalls in Anregung, und erließen unterm 8. Februar 1815 von Wien aus die Bevollmächtigten der Unterzeichner des ersten Pariser Friedens die in edler, warmer Sprache abgefaßte Erklärung in Bezug auf die Abschaffung des Negerhandels 3). Nachdem auch spätere Congresse und Conferenzen sich mit der Angelegenheit beschäftigt hatten), wurde endlich den 20. December 1841 zu London von den Bevollmächtigten der fünf Großmächte ein Vertrag zur Unterdrückung des Negerhandels unterzeichnet, worin dieser dem Seeraube gleichgestellt und zu seiner Hinderung ein ausgedehntes Durchsuchungsrecht etablirt wird. Der leztere Umstand namentlich hinderte die Ratification des Vertrags seitens Frankreichs; von den übrigen Großmächten erfolgte fie unterm 19. Februar 18425). In weiterer Folge dieses Vertrags ist in Preußen die Verordnung wegen Bestrafung des Negerhandels erlassen worden.")

1) Hier ist noch des Vertrags der Großmächte mit der Türkei wegen Ordnung der Angelegenheiten in der Levante Streit mit Mehemed Ali vom 15. Juli 1840 zu gedenken.

[ocr errors]

2) Ob allein aus Rücksichten der Humanität, bleibe dahin gestellt. Oppenheim Vr. S. 334. ff.

3) Klübers Acten IV., 531. auch Beilage 15. der Wiener Congreßacte. Bei den bezüglichen Verhandlungen erklärte der portugiesische Gesandte: que la question de la traite des nègres n'intéressant que les puissances qui ont des colonies, en ce qu'elle regardait un objet de législation intérieure, il ne lui paraissait pas convenable, de la remettre à une commission générale. En conséquence il a proposé de n'admettre à la discussion que les plénipotentiaires de la Grande-Bretagne, de la France, de l'Espagne et du Portugal, sauf à inviter des puissances continentales à y intervenir par leurs offices. Dagegen erklärte sich der englische Gesandte, weil die Frage nicht dies oder jenes locale Interesse, nicht die Particulargeseßgebung dieses oder jenes Staates betreffe, sondern weil dabei wesentlich die ganze Menschheit — l'humanité entière — betheiligt sei – Klüber a. a. O. VIII., 98. 4) Auch im Additional-Artikel zum zweiten Pariser Frieden wird der Frage gedacht. Vergl. außerdem N. S. III.. 48. 87. Congresse zu Aaßen, Verona.

-

1

5) Eine Uebersicht des gegenwärtigen Standes der Angelegenheit giebt Cuffy V., 436. 6) 6. S. 1844. S. 399.

« PreviousContinue »