In England lässt sich die gleiche Entwicklung nicht konstatieren, weil eine zunehmende Emission von Currency Notes stattfand und auch in Kriegszeiten der Check das gebräuchlichste Umlaufmittel ist. Die Politik der Notenbanken war darauf gerichtet, den Goldbestand möglichst zu stärken, um so die Emissionskraft zu erhöhen. Deutschland hat die Vorteile dieser Politik zuerst eingesehen. Für jede Milliarde Gold, die der deutschen Reichsbank zufliesst, kann sie 3 Milliarden in Noten zur Ausgabe bringen und damit dem Geldmarkt stets neue Mittel zuführen. Dank unse-rer finanziellen Reserven, so konnte der Direktor der Dresdener Bank, Helbing, sagen (Das Geld und der Krieg, Stuttgart 1915, S. 11), dank unserem festgefügten Geldsystem hat der Geldmarkt in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich und England auch während der ganzen Krisis nicht einen einzigen Tag zu funktionieren aufgehört! Die Deckung des Kriegsbedarfes vollzog sich nicht ganz so, wie die finanziellen Kriegsliteratur vorgesehen hatte. Am wenigsten ist Riesser durch die praktischen Tatsachen desavouiert worden. Niemand hat eben einen Krieg von diesem Umfang vorgesehen. Biermer sagte im Jahre 1913 (die finanzielle Mobilmachung, S. 51) «Der Typus des zweckmässigsten Kreditinstruments für die Dauer des Krieges ist der Schatzschein; fundierte Anleihen sollen während des Krieges überhaupt nicht in Frage kommen. » Nun haben aber gerade die Zentralmächte bisher diesen Weg nicht beschritten, sondern Kriegsanleihen statt Schatzscheine emittiert, während Frankreich bisher mit seinen Bons de la Défense Nationale und seinen Bons du Trésor den Krieg in einer Weise finanzierte, die den Ansichten Biermer's nahekam. Recht behalten hat jedoch Biermer mit seiner Behauptung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bei europäischen Schatzscheinemissionen eine Rolle spielen werden. Dass die Union aber eine solche Bedeutung als Bankier Europas erhalten könnte, hat vor dem europäischen Krieg wohl niemand geahnt. Die Massnahmen, welche die kriegführenden Staaten zur Deckung der Kriegskosten, zur Sicherung der Umlaufsmittel, zum Schutz der Valuta und zur Wahrung des Staatskredites ergriffen haben, liegen heute noch nicht vollständig klar zu Tage. Die Beurteilung ist auch kaum möglich, bis zu welchem Grade ein jeweilen konstatierter Anleihenserfolg ersten Ranges wirklich ein solcher war. Daher kann, selbst wenn es einzelnen kriegführenden Staaten weiter gelingen sollte, gewaltige Anleihensbeträge flüssig zu machen, doch nicht auf eine unbedingt zufriedenstellende Lage in dem betreffenden Staat geschlossen werden. Bei diesen Anleihenszeichnungen spielen die Beteiligungen der Lieferanten, der öffentlichen Körperschaften eine grosse Rolle; vor allem aber ist der Krediterteilung zum Zwecke der Subskription auf Kriegsanleihen grosse Bedeutung beigemessen. Dass daran jedenfalls nicht überall die rigoroseren Bedingungen der Friedenszeiten geknüpft sind, dürfte einleuchtend sein. Auf alle Fälle nötigt die wirtschaftliche Kraft, die die kriegführenden Staaten nach einem Kriegsjahr noch an den Tag legen, volle Bewunderung ab. Jene Länder, die die Erfolge der Waffen für sich haben, werden leichter die weiteren Mittel für die Kriegführung aufbringen, denn die Hoffnung, dass wenigtens gehabte Kriegsauslagen zurückerstattet werden, übt einen stärkeren Anreiz auf die Zeichner aus, als die Unsicherheit darüber, wie letzten Endes die finanzielle Auseinandersetzung sich gestalten wird. Es wäre indessen verfrüht, heute schon der Meinung Ausdruck zu geben, dass überhaupt eine Kriegsentschädigung zur Ausrichtung kommen wird. Ein in seinem Urteil so vorsichtiger Nationalökonom wie Heinrich Herkner meinte in seiner Rede Krieg und Volkswirtschaft (Berlin 1915, S. 25) «es könnte auch sein, dass beim Friedensschluss andere Dinge, über die man jetzt freilich nicht öffentlich sprechen darf, wichtiger erscheinen als ein vollständiger Ersatz der Kriegskosten. » Und eine Ham burger Finanzautorität tat am 16. April 1915 den Ausspruch: <<< Sicher ist, dass die meisten Staaten über alle Massen verschuldet aus dem Krieg hervorgehen werden >>. Mehr als wahrscheinlich sei es daher, dass sie nicht imstande sein werden, grosse bare Kriegsentschädigungen aufzubringen, um Landesteile, die beim Friedensschluss etwa besetzt sein sollten, auslösen zu können. Gewiss ist auch, dass nach Friedensschluss enorme Mittel aufgebracht werden müssen, um das wirtschaftliche Leben wieder im früheren Umfang in Gang zu bringen und um zerstörte Werte wieder zu ersetzen. Alles spricht daher dafür, dass der Anleihenszinsfuss im nächsten Dezennium auf ansehnlicher Höhe bleiben dürfte. Den Banken als den Herzkammern der modernen Volkswirtschaft ist in diesem Kriege eine bedeutungsvolle Rolle zugefallen. In allen Ländern ist, wie schon betont wurde, die zentrale Notenbank die eigentliche Kriegsbank geworden, während die Grossbanken sich wohl oder übel mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik des Krieges abfinden und für den Ausfall im laufenden und vor allem im internationalen Effekten- und Syndikatsgeschäft Ersatz suchen mussten. Wie diese Anpassung im einzelnen erfolgte, welche rechnerischen Wirkungen sie hatte, das müssen sorgfältige Monographien nach dem Kriege erst nachweisen. Klagen wegen Kreditentziehung waren selbstverständlich in allen Ländern an der Tagesordnung, wie sich denn auch das Bestreben zu erkennen gegeben hat, für so manche faule Situationen, die lange vorher bestanden, den Krieg verantwortlich zu machen. Bis zu welchem Grade die private Bankpolitik sich bewährt hat, ist schwer zu sagen, weil das, was an Klagen an die Oeffentlichkeit dringt, meistens mehr zufälliger Natur ist. Ihrer festen Klientel gegenüber sollen aber auch die Banken in kriegführenden Ländern weitgehendes Entgegenkommen gezeigt und tunliche Rücksicht auf die Aufrechterhaltung der Volkswirtschaft gelegt haben. Anders als beispielweise in Deutschland und Oesterreich soll es in Frankreich gewesen sein. Nach mannigfachen Klagen, die im << Temps>> sich vernehmen lassen, hat es bis in den Oktober des Jahres 1914 hinein an Kulanz und weitherzigem Entgegenkommen gefehlt. Das dürfte wohl mit der in Frankreich etwas eigentümlichen Moratoriums-Gesetzgebung und der Tatsache zusammenhängen, dass manche grössere französische Banken schon vor Kriegsausbruch in bedenklicher Weise immobilisiert waren. Eine die deutschen Banken verteidigende Erklärung des Zentralverbandes des Deutschen Bankund Bankiergewerbes (Oktober 1914) enthielt die sehr vernünftigen Sätze: <<< Es ist nur allzu natürlich, dass in Zeiten wie den gegenwärtigen zwischen den Banken und ihren Kunden vielfach Meinungsverschiedenheiten über das Mass des Entgegenkommens entstehen, welches eine Bank ihren Geschäftsfreunden ohne Beeinträchtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und der an ihre Liquidität zu stellenden Ansprüche zu gewähren vermag. Gerade der Vergleich mit dem Ausland beweist, dass die deutschen Banken die Probe, welche der gegenwärtige Kriegsausbruch ihrer Leistungs- und Widerstandsfähigkeit auferlegt hat, aufs glänzendste bestanden haben. >>> << Letzten Endes », schrieb Bankdirektor Dr Weber, Berlin (Krieg und Banken, Leonhard Simion Nachf., 1915, S. 7), «hat die heutige schwere Zeit den Beweis erbracht, dass im grossen und ganzen der Gang der |