schaftsjahr 1915 keine gute Durchschnittsnote zu geben. Die quantitativ und qualitativ befriedigende Futterernte und die Ausdauer der Weidezeit bis in den November herein lassen erwarten, dass die durch starke Aufzucht gemehrten Viehbestände gut durchgehalten werden können, obschon zu Beginn der Winterfütterung die Zufuhr von Kraftfuttermitteln ebensosehr gestört erscheint, wie im Jahre 1914. Die Getreideernte fiel gut aus und nachdem es möglich geworden war, grosse Vorräte von Brotfrüchten ins Land zu schaffen, wird die Verfütterung von Roggen und Gerste wohl wieder statthaft sein, was speziell im Interesse der Erhaltung der Schweinezuchtbestände in höchstem Grade wünschbar ist. In gleichem Sinne ist zu begrüssen, dass der schlechten Kartoffelernte des Vorjahres eine ordentliche Mittelernte folgte, die durch kompensationsweise Zufuhren aus Deutschland noch ergänzt werden konnte, so dass für Futterzwecke ein ziemlicher Teil verfügbar sein dürfte. Ungewöhnlich gute Erträge lieferten Bohnen, Rüben aller Art, Kohl etc. Der Obstertrag übertraf die ohnehin günstigen Erwartungen infolge ungewöhnlich schöner Ausbildung der Früchte erheblich. Die anfängliche Aengstlichkeit über ungenügende Inlandsversorgung, die wohl von keinem Erfahrenen geteilt worden ist, erwies sich als absolut unbegründet und die aus ihr heraus von sogen. Fachmännern und Staatsorganen getroffenen schwer verständlichen Massnahmen für Einschränkung und Regulierung der Ausfuhr entsprachen wohl städtischem weibischem Konsumentengeschrei, nicht aber den tatsächlichen Verhältnissen. In Wirklichkeit erwies sich nämlich die Befürchtung als begründet, dass die ausländische Nachfrage ausbleibe und dass bei der beschränkten Aufnahmefähigkeit des Inlandmarktes sich Preise herausbilden werden, die dem Produzenten kaum die Erntekosten decken, zum Schaden einer möglichst sorgsamen Verwertung des Gediehenen. So musste denn die Zentralstelle für Preisberichte des schweiz. Bauernverbandes Mitte Oktober noch wie folgt berichten: << Die Situation auf dem Mostobstmarkt hat sich seit der Vorwoche noch verschlimmert. Mostbirnen gingen im Preise unaufhaltsam weiter zurück. In der Ostschweiz wurden grosse Quantitäten späte gute Sorten zu 4-3 Fr. und darunter pro 100 Kg. angeboten. Seit Jahren ist ein solcher Preistiefstand nicht dagewesen. In Anbetracht der nun stark vorgeschrittenen Reife kann eine Besserung der Marktlage für Mostbirnen nicht mehr erwartet werden. Die Preise für Mostäpfel sind ebenfalls gesunken. Der Export nach Deutschland geriet in der Berichtswoche wieder ganz ins Stocken. In Württemberg waren Mostäpfel fast unverkäuflich. Etwas weniges konnte nach Baden, ausgeführt werden. Im Tafelobsthandel bestund bei gleichbleibenden Preisen etwas mehr Nachfrage als in der Vorwoche. Die Ernte an Herbst- und Winteräpfeln ist ebenfalls sehr ergiebig. Es ist dringend davor zu warnen, gutes, haltbares Tafelobst zu Schleuderpreisen abzugeben.» etc. Also seltener « Preistiefstand » ja förmliche << Schleuderpreise » verliehen dem Obstmarkt Signatur; also geschehen im Kriegs- und Teuerungsjahr 1915! Hauptsache ist nun, dass möglichst viel Obst gedörrt und eingekellert wird. Beides dürfte lohnend werden. Für die bedauernswürdigen geplagten Weinbauern, die schon jahrelang für ihre Arbeit weder einen Stundenlohn von 20 noch 40 noch 90 Rp., sondern rein nichts erhielten, ist im heurigen Jahrbuch mit hoher Befriedigung zu konstatieren, dass 1915 endlich wieder einmal ein gutes Weinjahr war; das ist nicht allein ihnen und in der traurigen Zeit der feuchten Fröhlichkeit zu gönnen, sondern ist auch mit hoher Befriedigung vom Standpunkt unserer Handelsbilanz und Nationalwirtschaft aus zu begrüssen. So viel über das Erntejahr 1915. Wenn oben gesagt wurde, dass neben seinem Segen die Ausdehnung einzelner Kulturen, wie sie unter dem Eindruck der Lehren des Krieges stattgefunden habe, für die Landesversorgung mit Lebensmitteln von entscheidendem Einfluss sei, so ist hier wohl auch über sie Bericht zu erstatten. Gleich nach Kriegsbeginn wurde die mangelhafte Versorgung unseres Landes mit den unentbehrlichsten Lebensmitteln am bittersten fühlbar und löste ein durchaus neurasthenisches Verhalten der Bevölkerung aus, wie es insbesondere im unsinnigen Lebensmittelvorkauf zum Ausdruck kam. Man handelte eben auf der ganzen Linie aus der Unruhe des schlechten Gewissens heraus. Dieses schlechte Gewissen hatte seinen Grund im Bewusstsein, dass das ganze Wirtschaftsleben unseres Landes derart einseitig ist, dass es von einem Weltkrieg ganz besonders schlimm mitgenommen werden muss. Wie kam das? Als in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, unter Führung der sogen. Manchesterpartei in England endlich die Freihandelsidee zum Durchbruch kam und man die Kornzölle abschaffte, bekam dieselbe Auffassung auch auf dem Kontinente immer mehr Oberwasser, aber kaum in einem andern Lande mehr als in unserm kleinen Binnenlande. Dazu trugen wohl nicht allein die guten Beziehungen zu dem uns freundlich gesinnten konstitutionellen, freiheitlichen England und der daherige Gegensatz zu drei uns damals übelgesinnten Nach barn bei, sondern mehr noch die eigentliche Ueberzeugung von der glänzenden Zukunft einer ausgebildeten Weltwirtschaft. Verhältnismässig rasch entwickelten sich in unserm Lande grosse Exportindustrien, und während im freihändlerischen England die ungeschützte, der überseeischen Konkurrenz preisgegebene Landwirtschaft schweren Schaden nahm, wusste sich die schweizerische Bodennutzung der neuen Situation rasch anzupassen; auch sie ahmte die Exportindustrien nach und produzierte mehr und mehr für den Aussenhandel. Man träumte bei uns vor 40 Jahren noch sehr allgemein von einer universellen Freihandelsära und sah in dieser das Ziel einer gesetzmässigen Entwicklung. Daher betrachtete man es auch als ein Gebot der Notwendigkeit, sich ihr möglichst geschickt anzupassen. Was sich solcher Entwicklung nicht fügen konnte, hatte die Existenzberechtigung nach damaliger Anschauung eingebüsst. Das erschien als durchaus selbstverständlich. Jedes Land soll unbekümmert um seine sonstigen Bedürfnisse das produzieren, wozu es von Natur aus am besten ausgestattet ist. In der Verwirklichung dieses Prinzips sah man den grössten Fortschritt der Menschheit. Recht charakteristisch erblickte unser Kulturhistoriker Henne-am Rhyn in dieser Entwicklung ein ethisches Moment, indem er von ihr erwartete, dass sie zum << allein sittlichen System des unbedingten Freihandels » führen müsse. Für die internationale Arbeitsteilung war die schweizerische Landwirtschaft als Ganzes bekanntermassen gut ausgestattet. Die Graswüchsigkeit des Landes und der Besitz von ausgezeichneten Milchviehrassen wiesen sie im internationalen Konkurrenzkampf auf die Milchwirtschaft. Zu welcher Einseitigkeit wir dabei gelangten, ist heute zu bekannt, um hier dargelegt werden zu müssen; sicher ist, dass wir aus Bequemlichkeit und Mangel an richtigem Rechnen in besagter Richtung weiter gingen, als selbst die blosse privatwirtschaftliche Wahrnehmung der Interessen es als anzeigt erscheinen liess. Das ist ein wohlberechtigter Vorwurf, den sich die schweizerische Landwirtschaft gefallen lassen muss. Dass ein solches hervorragend für den Weltmarkt produzierendes Gebiet von einem Weltkrieg am schwersten betroffen wird, ist einleuchtend, und es hat uns die ganze Dauer des Krieges deutlich gezeigt, dass wir die daherigen Gefahren unterschätzten. So sehr wir für einzelne Erzeugnisse unserer einseitig gewordenen Landwirtschaft auf Inganghaltung des Exportes hindringen mussten, so sehr blieb anderseits die Sorge für allseitige Ausstattung unseres Volkes mit Nahrungsmitteln. Worauf man längst nicht hören wollte, das musste man nun bitter fühlen. Die Bauern eines Grossteiles unseres Landes haben die Selbstversorgung ihres eigenen Haushaltes sozusagen ganz preisgegeben. Sie beziehen die ersten neuen Kartoffeln aus Italien, die spätern aus dem Elsass, sie essen Pfälzer Rübli, die ihnen die landwirtschaftlichen Genossenschaften auftragsgemäss vermitteln müssen, sie essen russisches Brot, indischen Reis, italienische Makkaroni und Marroni, amerikanischen Speck und Schweineschmalz, argentinisches Gefrierfleisch und zu dieser ganzen Ration von Nahrungsmitteln vermögen sie aus eigenem Betrieb nur mehr Milch, Most und Träsch beizusteuern. Das bedeutet eine Abhängigkeit des einzelnen Bauers vom Markte und eine solche des ganzen Volkes von den Zufuhren von aussen, so wie es gleich mit Kriegsbeginn zum bedenklichsten Ausdruck kam. Wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt: man |