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interessant, den geheimen Rapport zu erklären, worin eine frühere Vermuthung, die Etrusker wären semitischen Ursprungs, mit dieser Analogie des Culturausgangs steht. Die Römer, nachmals für das westliche Europa ebenso bedeutsam, wie es die Assyrier vordem für das westliche Asien gewesen waren, doch ohne Berut für die Kunst, leisteten das Höchste, indem sie der etruskischen Kunst eine Richtung zeigten, wie sie mit Roms nationaler Richtung harmoniren sollte. So hatten einst die begabten Assyrier die ägyptische Kunst aus ihrer Geistlosigkeit befreien helfen.

Was würde aber selbst die Culturtradition auf italienischem Boden aus sich Nachhaltiges für den Westen geschaffen haben, wenn sie nicht hellenischen Mustern auf ihrem Gange begegnet wäre, die das in Italien Geleistete läutern und in einen Gewinn für die Cultur verwandeln lehrten.

Hat, nach dem Bisherigen zu urtheilen, das Klima den Werth als allgemeine Ursache begriffen zu werden, indem es die hellenische Cultur als eine Cultur des Südens erkennen liess, so ist noch die Frage, wie es im Einzelnen noch in Betracht kommt für die Erklärung der Herkunft der Dialekte in der Sprache der Hellenen, zu berühren. Es leidet keinen Zweifel, dass die Verschiedenheit der Dialekte aus klimatischen Ursachen erklärt werden muss, wenn die Sache an sich auch dunkel ist, und von einem Eingehen auf diesen Gegenstand hier abgesehen wird. Einige Andeutungen vermag die Beschäftigung mit der Frage nach der Herkunft der Hellenen, also z. B. des Joniers zu liefern. Es ist schade, dass Theophrast, der z. B. aus der Verschiedenheit der örtlichen Lage auf die Verschiedenheit des Bodenertrags schliesst, 1) oder ein Anderer nicht auf die ursächliche Bedeutung der klimatischen Unterschiede für die Sprachart aufmerksam machte.

Zweiter Abschnitt.

Von der Herkunft des Hellenen (Jonier's).

Die Frage nach der Herkunft des Joniers meint die Angabe der Umstände, welche den Jonier, den kleinasiatischen und den

1) Theophr. Hist. Plant. VIII, 2 erwähnt der zum rhodischen Gebiete gehörigen Insel Chalkia in Bezug auf Erndten und spricht von dem grossen Zeitunterschied beim Bodenertrag je nach südlicher oder nördlicher Lage (Breite, würden wir heute sagen) oder je nach Beschaffenheit des Bodens (tónos), selbst wo die Nachbarschaft die Annahme davon ausschliessen sollte (προτερεῖ γὰρ ταῖς ὡραῖς τὰ ̓Αθήνῃσι τῶν περὶ Ἑλλήσποντον ἡμέραις τριάκοντα ἢ οὐ πολλῷ πλείοσιν . . τὰ ἐν Σαλαμῖνι προτερεῖ · πολὺ τῶν ἄλλων τῶν ἐν τῇ ̓Αττικῇ. Καὶ ὅλως τὰ ἐπιθαλάττια καὶ εἰς ταῦτα καὶ ἐς τοὺς ἄλλους καρπούς.).

attischen zu dem gemacht hatten, als der er erschien? Unleugbar sind diese constituirenden Umstände (Faktoren) keine anderen, als Religion und Sprache. Es würde mithin gerade so gut sein zu fragen, woher die Religion und woher die Sprache des Hellenen? Unter Religion ist hier religiöse Vorstellung oder der ganze Kreis, den sie ausfüllte, gemeint. Gleichwohl bedeutet sie nur einen Bruchtheil des Vorstellungslebens, welches als die Erzeugungsquelle der Sprache gilt, wenn auch den erhabensten. Der Mittelpunkt des Kreises religiöser Vorstellungen, worin das Denkleben des Hellenen verweilte, war der Glaube an Zeus; auf römischer Seite war es Jupiter. An sich ist Religion vorstellungsloses Gefühl; das war sie immer gewesen, das Gefühl des dem Lichte Zugewandten. Durch die ganze Menschheit verbreitet, wie auch die ethnographische Provinz derselben heissen mochte, weckte dieses Gefühl die Ausbildung eines Glaubensinhalts. Das erste Bedürfniss, das der Mensch im Gegensatze zum Thiere empfand, war, zu wissen, dass das Licht Leben gebe. Die Erfahrung davon erhöhte sein Gefühl zum Glauben, zum sensus numinis. Der Glanz des Himmels, weil er die Lichtseite der allgemeinen Wirkung der Natur über ihm war, verdrängte die Furcht vor der Nachtseite. Dem Lichtbringer wurde je nach der Lage der Glaube je an eine specifische Kraft substituirt. Diese, Wesenheiten gleichgeachteten, Kräfte führten die Vorstellungsarbeit dahin, den Theós zu vervielfachen. Ueber allen Theoi war erhaben in der Vortellung der Hellenen die Einheit derselben, Zeus. Dieser Name ist das nämliche Wort, wie Dyâus im Sanskritischen, und wie die Silbe Ju (Jov-is) im Worte Jupiter bei den Latinern, und soll doch nicht abgeleitet oder entlehnt worden sein. 1) Die einfachen Vorstellungen der ältesten Zeit mussteu zu mythologischen Zwecken herhalten, als unter den Hellenen Homere aufstanden, und wurden durch die phantastische Zeichnung unkenntlich. Doch blieb noch in späteren Zeiten der Begriff von Zeus als dem Himmelsgott allen Hellenen gemeinsam, wie sehr die Stämme auch in der Wahl ihrer specifischen Hauptgottheiten auseinander gingen. 2) Es versteht sich, dass unter dem Einflusse der mythenbildenden Phantasie in der Sprache mächtig geneuert wurde. Wer ein Werk vorzulegen vermöchte, das in der

1) Müller, M., Lectures on the Science of language. Second Series. X. (1864.) Der Name des indischen National-Gottes war übrigens Indra.

2) Bertrand, Sur les Dieux Protecteurs. (1858.)

vorhomerischen Sprache geschrieben war, würde der Forschung willkommen sein. Man würde erkennen, dass die Geschichte der Religion eine Geschichte der Sprache ist.

Nachdem wir übrigens gestützt auf die Lehre der Archäologen angedeutet haben, wie durch Uebertragung die Kunst sich von Stufe zu Stufe vervollkommete, ist es schwer, uns der Annahme zu verschliessen, dass auch eine Uebertragung des Zeus begriffs stattgefunden. Anderenfalls müsste die mythologische Produktion, welche zu dem ganzen Wirrwar der Zeusfabeln führte, die Epoche des Erwachens einer jonischen (hellenischen) Religionsarbeit geradezu überraschen. Die vorhin berührte Thatsache, dass der Glaube an Zeus eine allgemein volksthümliche war, spricht dafür, dass der Glaube an Zeus eingewandert, nicht daheim von Dichtern gemacht war. Die Analogie der Uebertragung der christlichen Gottesidee ist eine Erläuterung aus späterer Zeit.

Um über dem Zeusbegriffe nicht den religiösen Standpunkt des Hellenen und des Römers zu vernachlässigen, so muss noch hinzugefügt werden, dass der Glaube des Hellenen von vornherein ein durchaus receptiv vermittelter war, und es noch lange blieb. Daher der ungeheure Anstoss, den Sophisten, wie Protagoras, mit ihrer Skepsis erregten. Der Glaube des Römers dagegen war Berechnung; die Cultushandlung übte er nicht aus Andacht, sondern aus Pflicht, weil der Gott seinen Wunsch erfüllt hatte. Der Ausdruck religio selbst deutet typisch die Auffassung an, wie sie sich nachmals in praktischen Verhältnissen juristischer Verbindlichkeit entwickelte. Gegen Skepsis schritten sie darum doch nicht weniger ein, wie spätere Zeiten bewiesen, aber auch hier hauptsächlich nur, weil sie für die Erziehung davon keine guten Früchte sahen. Der Glaube war für den Staat nöthig.

Woher die Sprache des Joniers (Hellenen)? lautete die andere Frage. Hier gilt es, vornehmlich an den jonischen Dialekt uns zu halten, wie er in den kleinasiatischen Küstenstädten selbst noch im fünften Jahrhundert für die schreibenden Talente massgebend war. Die Vielseitigkeit des Lebens, welche sich in Betrieb, Fabrikation, Kunst, Handelsfahrten ausdrückte, setzte ihre charakteristischen Züge in der Sprache ab. Was nachmals für den Hellenen Dialekt war, war einst die Sprache schlechthin gewesen. Die Städte reichten mit ihren Anfängen in ein hohes Alter hinauf, über dem man nicht die Phöniker vergessen darf. Wenn die Sagen, die die älteste Civilisation von Hellas umgeben, ihrer erwähnen, so ist da

mit angedeutet, dass sie die Vorgänger in allen zugänglichen Häfen des Archipels waren. Ihre Verträge mit den Eingeborenen an der kleinasiatischen Küşte setzten zwar eine Sprache bei Letzeren voraus, entwickelten sie aber auch derart, dass in den jonischen Schriftzügen die phönikischen, wenn sie theilweise auch noch latent darin, doch für das Auge verloren gegangen sind, wie sich aus Beispielen leicht nachweisen lassen wird. Wenn die Attiker durch die berührten Sagen auch nur den phönikischen Ursprung des Alphabets anerkennen wollten, so wäre dieses schon ein Zeugniss für sich Es wird Niemand bezweifeln, dass Charaktere, die sich auf phönikischen Münzen oder in Inschriften finden, wie H, 4, O, N, P, noch aus den jonischen Zügen K, M, O, Z, X, T erkennbar sind, von O zu schweigen, das übrigens im Phönikischen an der Stelle des hebräischen Kehllautes stand. 1) Allein andererseits wird es angemessen sein, eine ähnliche Bilderschrift bei den ältesten Joniern vorauszusetzen, und vielmehr zu glauben, dass eine Uebereinstimmung in jenen Zeichen wirklich vorhanden gewesen war, und dagegen der Rest des jonischen Alphabets aus eigenartigen Zügen bestanden hatte, ein Hinweis auf die Eigenartigkeit des jonischen Wesens. 2) Eine unleugbare Analogie bestand zwischen den phönikischen und jonischen Handelsstädten; die geographische Beschaffenheit hatte dieses bewirkt. Aber alles, was einer Entwicklung zur Mannigfaltigkeit günstig war, besass nur die jonische Küste: Vorgestreckte Halbinseln, tiefe einschneidende Buchten, Ausläufer (Sipylus und Mykale), und offene Wege gegen das Binnenland hin in den Flussthälern des Kayster und Mäander. Diese äussere Gestalt des Landes, das nicht, wie Phönike, zwischen Küste und Parallelgebirge eingeengt war, weist für Erklärungen über die Herkunft des Joniers wegen Sprache und Sitte zwar auf das rückwärts gelegene Binnenland (Lydien und Phrygien) hin. Aber die Inselwelt des Archipel, besonders

1) vergl. Gesenius, Monumenta Phoenicia. Hitzig, die Erfindung des Alphabets. Zürch 1840 fol. J. Olshausen, über den Ursprung des Alphabets, Kiel 1841. Dass die phönicische Schrift selbst nichts Anderes ist, als eine Entlehnung der hieratischen Schriftzeichen der alten Aegypter mit Buchstabenwerth, zeigte Lauth in ss. acad. Abhh.

2) So machten es später die Kopten, deren Sprache doch der jüngste Ausläufer der altägyptischen Sprachentwicklung war; sie adoptirten das griechische Alphabet, und ersetzten die darin fehlenden koptischen Sprachlaute durch demotische Schriftzeichen. Noch später nahm Vulfilas das griechische Alphabet an und ersetzte die da'rin für die gothische Sprache fehlenden Laute durch alteinheimische Runenzeichen (Lauth: „Das germanische Runenfudark“). A, A. Z. 1873. 15. B.

die Gruppe der südlichen Kykladen mit den Diagonalen Melos+Jos+Astypalos und Naxos +Jos + Thera macht es wahrscheinlicher, dass eine untergegangene grössere Insel der Ursitz der Väter der Jonier war, deren Schicksal einen Theil nach den Mündungen des Kayster und des Mäander trieb, wobei die Ersten schon auf Jcarien hängen blieben, aber die Uebrigen bis nach Mykale gelangten. 1) Diejenigen, die nach Westen ihren Lauf richteten, gelangten nach Argos und nach Aegina mitten in dem Meerbusen, der zwischen Attika und Argolis brandet. Jenes untergegangene Lemurien hatte das gemeinsame Nationalheiligthum enthalten, wofür an ihren neuen Sitzen die Ausgewanderten separate Mittelpunkte ihres Cultus errichteten, in Mykale, auf Aegina. 2) Es war der Ausgangspunkt der Scheidung der Urhellenen in Stämme (Jonier, Dorier u. s. w.) gewesen. Bestätigung giebt die nie erloschene vulkanische Thätigkeit bei der Südspitze des Insel-Parallelogramms, der Inhalt der Dädalussage, die Nachricht von einer vor Alters stattgehabten Auswanderung aus Attika nach Aegialea,3) die Thatsache, dass Attika vordem Asia und Asis geheissen, 4) in Uebereinstimmung mit dem gegenüberliegenden Erdtheil dieses Namens, endlich der den Namen Jos ('los) und Jon-es gemeinsame Hintergrund Dyu, worauf oben anlässlich des Vergleichs von Zeus und Jupiter hingewiesen wurde. Dyu bedeutet Licht, Gott des Lichtes; der Name Jones ('loves) würde ein Patronymikon sein und Zeussöhne bedeuten. Die Erinnerung an die vollere Form Jaones (Iάoves), welche noch durch die semitische Form Javan Aufklärung erhält, möge die Ableitung einer patronymischen Bedeutung erläutern! Aus diesem Zusammenhange möchte sich, wenn man den Locativ Dyávi zu Hülfe nimmt, mit Hülfe eines euphonischen Sigma (o) auch der Name der Stadt Ephe-s-os erklären lassen.

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Der Gang, den die Entwicklung der jonischen Niederlassungen an den Gestaden des Kaystrischen Meerbusens bis zur Ankunft

1) Reiss und Stübel geben (Geschichte u. Beschreibung d. vulkanischen Ausbrüche bei Santorin von d. ältesten Zeit u. s. w. 1868 S. 29) Nachricht von gewaltsamem Einsturze grosser Felsmassen im Meere bei der Insel Thera noch aus dem J. 1457 unserer Zeitrechnung.

2) In Mykale befand sich das Panhellenion; auf Aegina stehen noch heute 25 Säulen von dem Tempel des Zeus Havelkýrios, Pindar preist (Olymp. 8) die Insel als eine feste Säule für Fremdlinge seit des Aeakos Zeit, des ersten Königs von Aegina 3) Sage vom Xuthus.

4) Dies bezeugt ein Schol. zu Dionys. Perieg. v. 620: ý Avvinỷ dè Aola nowyv ἐκαλεῖτο,

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