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D. Johann Ludwig Klüber,

großherzoglich; badischem Staats, und Cabinetsrath, c.

Erste Abtheilung.

Frankfurt am Main

in der Andreäischen Buchhandlung

18 16.

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Der wiener Congreß schließt in der Weltgeschichte

ein Viertel Jahrhundert, welches einem Jahrtaus send gleicht, wenn man es mißt nach Menge und Wechsel der wichtigsten Begebenheiten, vornehms lich nach Mißgeschick für Staaten und Menschheit.

Groß, unermeßlich war die Aufgabe, deren Lös fung jener Versammlung oblag. Ein politischer Welts Orfan hatte in dem Gemeinwesen von Europa Verwüstungen angerichtet, nicht blos in geogra phischer und politischer, auch in sittlicher und völs kerrechtlicher Hinsicht. Man erwartete Wiederhers stellung und Sicherstellung einer sittlichen Ordnung in den Staatenverhältnissen. Durch sie sollten Staas A

ten, wie Einzelne, genöthigt werden, zu der edlen Gewohnheit zurückzukehren, nichts Unrechtliches zu wollen. Ueber dem Meer von Einzelheiten und Vers suchungen, auf welchem bedachtsam herumzutreiben. war, sollten die Steuerleute mit unverwandtem Blick dem reinen Licht eines Leitsterns folgen, mit deffen Hülfe allein es möglich war das große Ziel zu erreichen. Was Menschenkraft, fern von Selbst: sucht, vermag, sollte, nach so mancher ernsten Wars nung von Innen und Aussen, geleistet werden. zum Segen für Mit- und Nachwelt, als Vorbild für späte, dankbare Enkel, als Lehr- und War: nungstafel in der Geschichte.

Was und wie, auf der wiener Versammlung der Häupter der europäischen Christenheit, verhan delt und beschlossen ward, soll hier, von einem Aus genzeugen, in den Schooß der Weltgeschichte nies dergelegt werden, so tren, in Kürze so vollständig, mit solcher Unbefangenheit, als seine Kräfte zulas sen. Im Einzelnen haben ohne Zweifel Manche noch Vieles, vielleicht auch Manches hie und da anders, beobachtet. Mögen sie, so weit es frommt, einer Mittheilung sich nicht entziehen! Jeder hat seinen

Vorrede.

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Standpunct: aber keinem ist vergönnt, auf seine eigenen Schultern zu steigen, um sich eine weitere Aussicht zu verschaffen.

Zu einem Geständniß hält hier der Verfasser sich für eben so verpflichtet als berechtigt, und solches eben darum für verantwortbar vor seiner Eigenliebe; zu demjenigen eines gewissen Stolzes, der ihm nie gestattet, im Angesicht des Publicums irgend einer Partei durch Wort oder That zu huldigen. Berechtigt dieses Geständniß keine, ihn als den Ihrigen zu betrachten, so sollte nie eine sich anmassen, ihn wegen solcher Gesinnung anzufcinden. Einem Naturgesch zufolge, bestärkt solches Anfein: den nur den Festen in Grundsäßen und Handlungsweise. Hoffentlich wird ihn Niemand überweisen, daß er je die Grenze unumschränkter Duldung gegen Andersdenkende überschritten habe. Legt er nun durch jenes Geständniß sich zugleich vor dem Rich terstuhl des Publicums eine heilige Pflicht auf; so hat er dabei keineswegs die Absicht, irgend eine besonnene Critik zu bestechen. Die Wahrheit kann durch eine solche nur gewinnen; und sie allein ist das, wonach zu ringen, die Selbstthätigkeit der

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