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Nolte, Die Reform des deutschen Patentrechtes. 193. Statistisches
Jahrbuch für das Deutsche Reich. 194. Wittelshöfer, Unter-
suchungen über das Kapital. 195. Walras, Éléments d'Économie po-

I. Abhandlungen.

Der Entwurf der neuesten Gewerbeordnungs

novelle 1).

Von Ernst Neukamp.

Neuerdings ist in der Schrift eines Ausländers 2) nicht mit Unrecht darauf hingewiesen, dass die heutige sozialpolitische Gesetzgebung in gewisser Weise an das politische System Friedrichs des Grossen anknüpfe, der es recht eigentlich als seine Aufgabe betrachtete, der Anwalt der wirtschaftlich Schwachen zu sein.

Diese Anwaltschaft der Armen schlägt in ihrer Begründung eine Richtung ein, welche stark an den »Polizeistaat< des vorigen Jahrhunderts erinnert, ohne jedoch dessen absolutistische Ungebundenheit nachzuahmen. Wir meinen die gewaltige Erweiterung der staatlichen Aufgaben, insbesondere jene Ausdehnung des öffentlichen Rechts auf Gebiete, die bisher privatrechtlicher Regelung vorbehalten waren. Der aufgeklärte Absolutismus des vorigen Jahrhunderts kannte überhaupt keine

1) Der Text des Gesetzentwurfs und der Inhalt der Beschlüsse der Reichstagskommission wird als bekannt vorausgesetzt und im folgenden nur soweit wiedergegeben, als dies zum Verständnis der Beweisführung erforderlich ist.

2) William Harbutt Dawson, Bismarck und der Staatsozialismus. Deutsche Ausgabe. Hannover 1890. S. 22.

Zeitschr. f. Staatsw. 1891. I. Heft.

1

Grenze für die Staatsomnipotenz; wo der Souverän oder die Regierung das allgemeine Wohl durch ihre Massnahmen fördern zu können glaubte, da wurde gesetzgeberisch oder reglementierend eingegriffen, und auch vor dem Privateigentum wurde nicht Halt gemacht, so dass von einer festen Abgrenzung des Privat- und öffentlichen Rechtes nicht die Rede sein konnte. Nirgends trat diese Auffassung des vorigen Jahrhunderts klarer zu Tage, als in der grossen preussischen Gesetzeskodifikation, dem Allgemeinen Landrecht. So stellt der § 74 der Einleitung den Satz auf, dass alle Privatrechte dem öffentlichen Wohl im Falle einer Kollision weichen müssen; so enthalten die Vorschriften der §§ 38 ff. I. 8. A. L.R.'s über die Wiederherstellung baufälliger Gebäude eine vollständige Verquickung des öffentlichen Rechts mit privatrechtlichen Normen. Ein ganz besonders drastisches und lehrreiches Beispiel dafür, wie der Polizeistaat des vorigen Jahrhunderts »das allgemeine Wohl< durch Eingriffe in die Privatrechtssphäre zu fördern suchte, bilden die §§ 664 ff., 818-820 II. 11 A. L.R.'s. Friedrich der Grosse wollte, um sein Land wirtschaftlich zu heben, die Seidenkultur einführen und befördern; um nun die Seidenraupenzucht im Lande selbst zu ermöglichen, wollte er die Bewohner zum Anpflanzen von Maulbeerbäumen zwingen. Dies suchte man u. a. dadurch zu erreichen, dass in den vorgedachten §§ der Satz aufgestellt wurde, die Einkünfte aus den Erträgnissen der Kirchhöfe (Kosten der Begräbnisstellen u. dgl.), welche an und für sich der Kirchengemeinde gebührten, sollten dem Pfarrer, eventuell dem Küster zufallen, wenn einer von diesen den Kirchhof mit Maulbeerbäumen bepflanzte. In den §§ 2 und 3 II. 19 A.L.R.'s sind die sozialistischen Sätze aufgestellt, dass einerseits ein Jeder ein gewissermassen staatliches, öffentliches Recht auf Arbeit hat, und dass andererseits mittellose Müssiggänger zu nützlichen Arbeiten durch Zwang und Strafen angehalten werden können.

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Gegenüber dieser weitgehenden Einmischung des Polizeistaates in die Privatrechts- und Willenssphäre der Einzelnen galt die Sicherung der Freiheit des Individuums vor staatlichem Zwang als eine der wichtigsten Aufgaben des modernen > Rechts

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